Interview mit dem Residenzkünstler Jakub Krejčí
Jakub Krejčí ist freiberuflicher Medienkünstler. Als Absolvent des Zentrums für audiovisuelle Studien der FAMU, ist er dort jetzt auch in pädagogischer und forschender Position tätig. In seiner Arbeit untersucht er den Einsatz der Game Engine im künstlerischen Schaffen, in der virtuellen Realität und im Klangerschaffen. Während seines Studiums entwickelte er sein performatives audiovisuelles Projekt "Kitty Chaos Planet".
Jakub, wie war Deine Zeit in Regensburg?
Ich war vom 3. bis 26. August 2020 in Regensburg, in der Künstlerresidenz. Ich habe im rekonstruierten historischen Andreasstadel-Gebäude gewohnt, welches sich inmitten der Stadt auf dem wunderschönen Inselteil befindet. Ich glaube, es wurde 1597 erbaut. Jetzt beherbergt es ein Hotel und einen kulturellen Teil mit einem Kino und Studios.
Mein Wohngebiet bot zugleich eine großzügige Fläche für die Schöpfung. Von hier aus machte ich mich auf zu Radtouren, die mich in Einklang mit der Umgebung und mir selbst brachten und mir insbesondere einen Ausgleich zu meiner Arbeit boten. Meine Arbeit spielt sich in meinem Fall nämlich hauptsächlich vor einem Computerbildschirm oder einem elektronisches Musikinstrument ab. Alltagsrhythmus und Konzentration sind dabei für die Erforschung, Entwicklung und Fertigstellung unerlässlich.
Welche Orte haben Dir in Regensburg gefallen?
Ich habe mich sehr für die Ostdeutsche Galerie interessiert, die die internationale deutsche Siedlung im Ausland mit dem Osten verbindet. Das Konzept und die Ausstellung selbst verbinden so, das Bild der gesamten Kulturregion und ihre Vernetzung.
Ich mochte auch den Weg mit dem Rad durch die Stadt bis zum südlichen Rand und das Hafengebiet östlich der Stadt an der Donau. Was sich außerdem auf jeden Fall lohnt, ist ein Ausflug zum Fernsehturm auf dem Hügel im Nordosten. Aber natürlich auch den Regensburger Dom fand ich wunderschön. Von hier aus verläuft bewaldetes Gebirge parallel zur Donau, neben dem wir die wunderschöne Burgruine Donaustauf vorfinden. Ihr zerstörter Raum erinnert uns daran, dass er so vollständig und schön war, wie der im Stadtzentrum erhaltene.
Am meisten aber faszinierte mich an Regensburg, das Zusammenspiel einer zeitgenössischen Stadt mit einem historischen Kern. Aus der Tschechischen Republik sind wir es bereits gewohnt historisch architektonische Denkmäler neu zu bewerten, auch wenn meiner Meinung nach, das Zentrum Prags mittlerweile nur noch als leeres, touristisches Freilichtmuseum fungiert.
Obwohl das Zentrum in Regensburg ziemlich bevölkert zu sein schien, nahm ich es positiv wahr. Es gab auch mehrere Second-Hand-Läden, die hochwertige und billige Kleidung anboten. Solche sind in Prag schwer zu finden.
Wie hast Du Dich mit der Fremdsprache auseinandergesetzt?
Ich beherrsche die Grundlagen der deutschen Sprache, die ich mehrere Jahre lang erlernt habe. Obwohl ich an einem Erasmusprogramm in Berlin teilgenommen habe, reichen meine Sprachkenntnisse aber trotzdem noch nicht für eine übliche Gesprächsführung aus. Dennoch war es für mich angenehm und gleichzeitig nützlich, in einem deutschsprachigen Gebiet zu verbleiben, da gerade das alltägliche Leben den Umgang mit der Sprache grundlegend beeinflusst. Manchmal konnte ich mich sogar ein bisschen verständigen, aber meistens sprach ich doch auf Englisch.
Wer war Dein Mentor auf deutscher Seite und wie hat die Zusammenarbeit funktioniert?
Einen Mentor zu finden war für mich etwas schwieriger. Zunächst habe ich überlegt, mit einem Unternehmen zusammenzuarbeiten, welches sich auf professionelles 3D-Scannen spezialisiert hat und etwas außerhalb von Regensburg lag. Hier konnte ich einen Tag verbringen.
Der zweite Kandidat war Andreas Hartmann, den wir in seinem Studio besuchten, in dem auch Anwendungen für die virtuelle Realität entwickelt werden. Hier zielte man jedoch auf kommerziellen Verkauf und Werbung ab, was nicht in meinem Interesse lag. Allerdings arbeiteten sie mit einer ähnlichen Technologie wie ich und verwendeten sogar Unreal-Engine, eine Alternative des von mir genutzten Unity-Engine. Es ist eine Software für die Entwicklung von Computerspielen sowie anderer interaktiver, künstlerischer Anwendungen und VR.
Obwohl es interessant schien, habe ich letztendlich beschlossen, meine eigene Arbeit an dem Projekt fortzusetzen, anstatt ein Neues zu starten. Dies vergrößerte dann zusätzlich die Kluft zwischen uns und es blieb nicht viel Zeit.
Am Ende habe ich mich für die Zusammenarbeit mit der lokalen Kunstgruppe Pomodoro Bozen entschieden. Wir verfolgen ähnliche Ziele und interessieren uns gleichermaßen für die Medienkunst, die sich mit Technologie und Wissenschaft in Bezug auf Zivilisation durch Kunst befasst. Einer der Bereiche, die zu diesem Spektrum gehören, ist eben die audiovisuelle Leistung, mit der wir beide Erfahrung haben. So konnten wir uns austauschen und gleichzeitig verstehen, wovon wir sprachen, egal ob es sich dabei um Computerbilder, elektronische Musik, die Erinnerung an ihre Teilnahme am österreichischen Ars Electronica Festival oder um die jahrelange Tätigkeit im Andreasstadel-Gebäude handelte.
Kannst Du Dein Projekt kurz vorstellen?
Mein Projekt ist eine audiovisuelle Performance mit dem Arbeitstitel Kitty Chaos Planet. Der Name stammt vom Namen meiner Website http://kittychaosplanet.org/.
Es ist ein experimentelles, interaktives und audiovisuelles Erzählsystem für Performances mit mehrstufigen modularen Elementen, Effekten und Klängen. Es ist im Grunde eine Spielsimulation, die versucht, die reale Welt und ihre Eindrücke zu erkunden. Der Einfachheit halber sollte es sich dabei um eine Show, Performance oder Installation handeln.
Das Projekt knüpft an meine langjährigen Auftritte an, denen ich mich während meines Studiums an der Prager FAMU widmete. Ich habe die Residenz als Raum für eine intensivere Arbeit an meinen eigenen Performances benutzt. Dabei greife ich in einer audiovisuell-koexistierenden Struktur die Autorenarbeit auf. Ich arbeite seit ca. 3 Jahren an diesem Projekt und manchmal kann ich es präsentieren. Der zeitaufwändige Teil ist die Umwandlung der Klangerzeugung von der Software zu physischen, elektronischen Instrumenten, die ich in dieser Zeit produziert habe und nach und nach zu gemeinsamen Produktionsprojekten einzelner Module zusammenführt habe. Es ist sinnvoll, sie fertig zu kaufen.
Dies erklärt auch meine Herangehensweise, die der Technologie folgt, aber auch ihre Praktikabilität und Zielen, die ein System sind, das aus mehreren Teilen, Technologien und Schichten besteht. Ich muss keine Drähte und experimentell aussehenden Strukturen im ganzen Studio "spannen". Ich mache das seit vielen Jahren. Die Erstellung erfolgt am Computer mit Hilfe von einer bestimmten Software, die ich während der Aufführung steuere und synchronisiere. Außerdem arbeite ich ergänzend mit der Hilfe von Musikinstrumenten in einem intensiven Moment der Präsenz der Aufführung.
Gab es die Gelegenheit, Deine Ergebnisse zu präsentieren? Und wie soll das Projekt fortgesetzt werden?
Am Ende der Residenz haben wir eine Aufführung organisiert, welche wir von Anfang an mit der Koordinatorin Carolin Binder geplant hatten. Wir haben auch einen geeigneten Platz gesucht. Das Degginger Kulturzentrum oder das Thon-Dittmer-Palais wurden in Betracht gezogen, wo auch das Theater mit seinen Säulen und Bögen war (welches ich mit dem Schloss Donaustauf verglichen habe). Ich persönlich würde sagen, dass dies ein Entwicklungsprozess war, obwohl autonom. Meine Leistung ist immer etwas neu. Während meines Aufenthalts zum Beispiel war ich Teil eines Musikinstruments. Im Gegensatz zur reinen Live-Improvisation ist hier neben dem Aufbau von notwendigen Mitteln zudem wichtig, langfristig zu üben, spielen und natürlich zu komponieren. Die Aufführung beinhaltet auch eine Projektion. Es basiert auf älteren Grundlagen, die ich verbessere, indem ich neue Prinzipien und Inhalte programmiere und hinzufüge. Die Liste der Aktivitäten ist lang. Am Ende des Sommers hatte ich die Gelegenheit, bei Farmstudio.cz aufzutreten, wo ich eine etwas neuere Version vorstellte. Beispiele dazu finden Sie auf meiner Website.
Ich warte sehnsüchtig darauf, die neue Entwicklung des Projekts irgendwann im Frühjahr 2021 in Pilsen und Regensburg persönlich vorstellen zu können. Der Termin wird allerdings erst später festgelegt. Entwicklungen im Zusammenhang mit neuen Komponenten und Verfahren müssen berücksichtigt werden. Angesichts der aktuellen Situation denke ich darüber nach, wie ich dieses Ereignis streamen kann. Es ist ein virtuelles Teilen von Moment und Performance, einer Art Kunst, die tatsächlich vorübergehend und zeitkomprimiert ist. Obwohl der Betrachter und der Autor an einem bestimmten Ort anwesend sind, denke ich, dass es das Beste ist. Es können auch komplexere Systeme in Betracht gezogen werden. In Regensburg zum Beispiel habe ich das Quadro-4-Kanal-Soundsystem gespielt. Es ist auch möglich, die Anzahl der Projektionen zu erweitern. Das Projekt ist dafür gebaut und schafft dann eindringlichere Räume und Erfahrungen.
Was denkst Du über Artist-in-Residenz im Allgemeinen? Ist es eine gute Möglichkeit, Künstler mit anderen Hintergründen kennenzulernen und sich inspirieren zu lassen? Was genau hat es Dir gegeben?
Ich verstehe die künstlerische Residenz als einen Raum für Künstler, in dem sie sich professionell ihrem Kunstgebiet widmen können. Es gibt traditionelle Methoden und Verfahren unter Verwendung digitaler Technologien. Das Treffen mit den Einheimischen ist in der Tat wichtig, aber auch Eigenarbeit ist notwendig. Für einige Künste ist der soziale Austausch wichtiger, als für andere, aber am Ende ist es doch für alle wichtig. In meinem Fall ist es notwendig, anspruchsvolle, technische Forschung und Prozesse durchzuführen. Ich habe mich über einen Raum gefreut, in dem ich mich ausschließlich auf mein performatives Projekt konzentrieren konnte. An der FAMU habe ich mich die meiste Zeit mit Kunstforschung durch die Entwicklung einer interaktiven Anwendung für die virtuelle Realität beschäftigt. Ich bin froh, dass ich es durch diese Residenz geschafft habe, die Aufmerksamkeit nur auf der Aufführung zu behalten. Dort liegt auch ein Schwerpunkt auf fundierter Forschung, Räumlichkeit und Präsenz und dennoch halte ich es für eine unverwechselbare und mir jetzt am nächsten liegende Kunstform. Die Umgebung von Regensburg hat mir geholfen, Harmonie und Frieden zu finden genauso wie die Aura einer fremden Umgebung, die oft so reinigend ist. In diesem Fall war es keine Entfremdung und kein Verlust in einer fremden Stadt zu verweilen. Vielmehr war es eine Bereicherung hier zu wohnen, in der wunderschönen Umgebung Bayerns, in einer Stadt mit gut erhaltener historischer Architektur und funktionierender Industrie und Infrastruktur, die perfekt mit der Umgebung zusammen zu existieren schien.
Die Coronahygienemaßnahmen wurden in Deutschland strikt eingehalten und das machte Sinn! Umso schockierender war es für mich nach der Rückkehr in die Tschechische Republik, wo die Regeln ziemlich chaotisch eingehalten wurden. Dort wurde auch die zuvor geschätzte Harmonie durch das chaotische Prag ersetzt, welches von einer schmutzigen Autobahn überquert wird. Deshalb war der Aufenthalt für mich geschlossener, obwohl er für meine Arbeit wesentlich ist - Raum und Zeit. Das Leben, das im Detail beobachtet werden konnte, Objekte wie die Straßen, wie sich Menschen bewegen, jedes kleine Ding des Alltags bereicherte sich mit seinen Unterschieden. Und doch repräsentiert es eine ähnliche europäische Landschaft wie in unserem Land. Deshalb freue ich mich, dass meine Vorstellung von unserer Region jetzt einen Überblick über Bayern enthält.
Die Treffen mit mehreren Persönlichkeiten waren berührend. Ich halte diese paar Wochen in großartiger Erinnerung. Man hat das Gefühl, in Regensburg bleiben zu wollen. Am Ende wird es jedoch gut sein, sich als Teil dieser größeren mitteleuropäischen Region zu verstehen. Vielleicht werden wir uns in Zukunft noch mehr inspirieren und treffen.
Möchtest Du zum Schluss noch etwas ergänzen?
Danke für diese Möglichkeit. Ich hoffe, dass ich die Gelegenheit haben werde, an anderen ähnlichen Residenzen teilzunehmen, und freue mich auf einen reibungslosen Verlauf der Präsentationen des entwickelten Projekts.