Interview mit den Residenzkünstlern Jonas und Lisa Langbein

Die Geschwister Jonas und Lisa Langbein sind zwei der insgesamt sechs bayerischen Künstler*innen, die 2020 im Rahmen des Projekts kultur|kontakt|kreativ für einen Residenzaufenthalt in dem Pilsner DEPO2015 ausgewählt wurden. Lisa Langbein ist bildende Künstlerin, Jonas Langbein ist Architekt und beide arbeiten häufig in interdisziplinären Projekten gemeinsam. Sie verbrachten insgesamt 12 Tage in Pilsen, bevor sie ihre Residenz wegen der sich verschlechternden Pandemiesituation unterbrechen mussten. Sie planen jedoch, im Frühjahr 2021 für weitere zwei Wochen zu ihrem Projekt und nach Pilsen zurückzukehren.

Wie habt ihr überhaupt von Pilsen und der Möglichkeit eines Residenzaufenthalts in DEPO2015 erfahren?

J: Ich war im Rahmen eines Projektes September 2019 in Rijeka und habe dort ein wenig die Vorbereitungen für ECOC 2020 mitbekommen und mit verschiedenen Personen sprechen können. Es war spannend wie die Investitionen in den Kultursektor im Rahmen von ECOC sehr kontrovers diskutiert wurden. Und auch die Nachhaltigkeit und Langfristigkeit der Projekte sehr unterschiedlich erschien. 

Könnt ihr euer Projekt in Kürze vorstellen? In eurer Bewerbung steht, dass ihr den städtischen Raums Pilsens untersuchen möchtet und dann während diversen Workshops gemeinsam an der „Karte“ Pilsens arbeiten wollt. Inwieweit ist es gelungen?

L: Unsere Idee ist es eine Karte alternativer Raumwahrnehmungen bzw. Stadterfahrung zu entwerfen. Also zusätzlich zur klassischen Karte ein Bild/eine Karte der Stadt zu entwickeln, wodurch auch mehr oder andere Sichtweisen auf die Stadt gezeigt werden sollen.

In den ersten eineinhalb Wochen in Pilsen haben wir uns vor allem versucht der Stadt unvoreingenommen zu nähern und uns ein Bild von ihr zu machen, das weniger von den bestehenden und etablierten Must-Sees, Must-Dos usw. geleitet wird, sondern durch die Methode des Er-Wanderns und des eigenen Erfahrens und Aneignen geprägt ist : Wir sind fast jeden Tag durch die Stadt gewandert ohne ein bestimmtes Ziel, haben dabei Fotos geschossen, Filme gemacht, gezeichnet, Geräusche aufgenommen und Dinge gesammelt, die unsere Aufmerksamkeit geweckt haben oder in Erinnerung geblieben sind.

Die kollektive Karte wollen wir falls es möglich ist, gerne im März machen. Jetzt versuchen wir uns in einer ersten Ausstellung an eine Art interaktiven (Wander-)Führer für Pilsen. Hierbei kann man sich einzelne Aspekte persönlich zusammenstellen...

J: In dem Sinne denke ich, dass das erste Erfahren der Stadt gut gelungen ist, da wir wirklich spannende Orte außerhalb des Zentrums entdeckt haben, indem wir ohne bestimmtes Ziel in eine Richtung gelaufen sind. Der gezielte Zufall hat uns so an verschiedene Ecken der Stadt gebracht und wirklich verschiedene Perspektiven auf Pilsen gegeben.

Wie soll es weitergehen?

J: Wir hoffen dass wir im März in einem interaktiven Workshopformat unsere Beobachtungen des städtischen Raums mit Perspektiven von Bewohner*innen Pilsens ergänzen können. Ich fände es total spannend wenn wir daraus eine subjektive Karte Pilsens entwickeln könnten welche die persönliche Wahrnehmung der Stadt wiederspiegeln kann. Sowas könnte z.B. auch bezüglich der Coronasituation möglicherweise auch digital entstehen. So wie das Projekt QueeringTheMap. Das kann sich aber auch hinsichtlich der Richtung, in der sich das Projekt in der Zwischenzeit entwickelt, etwas ändern. 

Was hält ihr allgemein von Artist-in-Residency Programmen? Ist es eine gute Art, sich gegenseitig kennenzulernen und motivieren? Was hat euch persönlich der Aufenthalt in Pilsen gebracht? Würdet ihr anderen Künstlern empfehlen, eine ähnliche Erfahrung zu machen? 

J: Generell ist es denk ich eine tolle Möglichkeit einen anderen Ort zu erfahren und mit anderen Künstler*innen und Kulturschaffenden in Austausch zu kommen. Was ich so z.B. auch sehr cool fand, war dass Maria im selben Zeitraum in Pilsen war und auch so wieder neue Kontakte und Austausche entstanden sind. 

Im DEPO war es fand ich ein bisschen schwieriger, da der CO-Working Space kurz nach dem Ende unserer Residenzzeit geschlossen wurde. Es waren daher kaum Leute da mit denen man sich austauschen konnte. Aber vielleicht lag das auch daran dass ja noch Semesterferien waren.

Eure Mentorin war die Stadtführerin Martina Matejkova (Projekt des Koordinierungszentrums TANDEM Erlebe Pilsen). Was habt ihr zusammen alles unternommen?

L: Am Anfang sind wir zusammen durch die Stadt spaziert. Martina hat uns einige wichtige und bekannte Orte der Stadt gezeigt (Mural Theatro Mundial, Speibl und Hurvinek, Dom) aber auch ihre persönlichen Liebelingscafés und Plätze. Was richtig cool war, waren ihre Einladungen zu Swing- Abenden oder einer Tanzstunde im Park. 

Als sie von unserem Interesse an den Un-Orten und Randgebieten der Stadt erfahren hat, sind  wir zu versteckten Seen, Parks und Aussichtspunkten der Stadt gefahren. 

J: Vor allem konnten wir so unsere eigene Erfahrung Pilsens noch mit Martinas Ideen und Vorstellungen zum Leben in der Stadt vergleichen und ganz andere Seiten Pilsens kennen lernen. Quasi Nachspüren um Pilsen mit Martinas Augen zu sehen. Was natürlich eine ganz andere Perspektive ist, als unsere, welche sich nur in den 12 Tagen Residency gründen.

Welche Orte, Cafés, Kneipen haben euch in Pilsen gefallen? Habt ihr etwas auf Tschechisch gelernt? ;) 

L: Na klar Jonas spricht jetzt fließend :) Ich leider nur Ahoj und dobredan 

J: Aber leider auch schon wieder vergessen. Mir haben die Randviertel besonders gefallen, und die Seen die Martina uns gezeigt hat: z.b. Den Košutecké Jezírko. Und ich hab einen neuen Lieblingsdrink entdeckt: Birell! 

Im Bezug auf unser Projekt bin ich gerade sehr froh, dass die Organisation uns sehr entgegengekommen ist und wir unsere 4 Wochen so in 2x 2 Wochen aufteilen konnten. Ich glaube bei vielen Projekten die sich intensiv mit der Stadt beschäftigen, kann es sehr hilfreich sein, die vielen Eindrücke mal sacken zu lassen und nach einer gewissen Zeit mit einem frischen Blick zurückzukommen. Daher hier auch nochmal ein großes Danke an Carolin und Jindrich und alle anderen Beteiligten!

 

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